Pflichtverteidiger bei einer Fahrerflucht?
Wird dem Beschuldigten bei einer Fahrerflucht ein Pflichtverteidiger beigeordnet? Kann man einen Pflichtverteidiger beantragen, wenn man einen Strafbefehl wegen Fahrerflucht erhalten hat?
Einleitung – Die Pflichtverteidigung
Anwälte kosten Geld. Beschuldigte, denen eine Fahrerflucht vorgeworfen wird, fragen deshalb häufig nach einem „Pflichtverteidiger“. Dabei gehen viele davon aus, dass die Pflichtverteidigung etwas mit den Einkommensverhältnissen zu tun hat – wer sich keinen Anwalt leisten kann, dem wird ein Anwalt gestellt. Das ist allerdings falsch. Die Pflichtverteidigung hat bei uns grundsätzlich nichts mit dem Einkommen des Beschuldigten zu tun.
Im Gesetz wird die Pflichtverteidigung als „notwendige Verteidigung“ bezeichnet (§ 140 StPO). In dieser Vorschrift steht nichts vom Einkommen oder Vermögen des Beschuldigten. Ein Pflichtverteidiger ist stattdessen vor allem dann beizuordnen, wenn die
- Sach- oder Rechtslage schwierig ist,
- die Tat schwer wiegt oder
- wenn der Beschuldigte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.
Um es vorwegzunehmen: Bei der Verkehrsunfallflucht greifen diese Gründe in den meisten Fällen nicht. Wenn Ihnen eine Fahrerflucht vorgeworfen wird oder wenn Sie schon einen Strafbefehl wegen einer Fahrerflucht erhalten haben, dann wird Ihnen nur in Ausnahmefällen ein Pflichtverteidiger beigeordnet:
Schwere der Tat bei § 142 StGB
Ein wichtiger Grund für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist die Schwere der Tat. Klar ist, wenn Ihnen ein Mord oder ein Totschlag vorgeworfen wird und Ihnen droht eine lange Freiheitsstrafe, dann muss Ihnen das Gericht einen Verteidiger zur Seite stellen. Hier ist eindeutig, dass die Tat schwer wiegt. Aber natürlich muss es nicht gleich Mord oder Totschlag sein: Eine Schwere der Tat wird beispielsweise angenommen, wenn dem Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr droht.
Bei der Verkehrsunfallflucht geht es fast immer „nur“ um eine Geldstrafe – Freiheitsstrafen sind bei § 142 StGB die Ausnahme. Wenn Sie nicht gerade unter laufender Bewährung stehen, dann begründet die Geldstrafe keine „Schwere der Tat“. In der Regel wird die Fahrerflucht auch mit einem Strafbefehl geahndet, sodass es nur zu einer Hauptverhandlung kommt, wenn der Beschuldigte Einspruch einlegt.
Dass mit der Verurteilung wegen Unfallflucht häufig die Fahrerlaubnis entzogen wird, könnte im Einzelfall die Schwere der Tat begründen, wenn der Beschuldigte Berufskraftfahrer ist und wenn der Führerscheinverlust dazu führen würde, dass er auch seinen Job verliert. Hier kommt es aber auf den Einzelfall an.
In den meisten Fällen hingegen begründen die Folgen einer Verurteilung wegen § 142 StGB keine Schwere der Tat i.S.d. § 140 StPO — aus diesem Grund wird Ihnen also nur in Ausnahmefällen ein Verteidiger beigeordnet, wenn der Vorwurf auf Unfallflucht lautet.
Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage
Die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage kann es ebenfalls erforderlich machen, dass Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Auch das dürfte in Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht aber eher selten der Fall sein. Manchmal kann es um die Frage gehen, ob Beweisverwertungsverbot vorliegt. — das kann eine schwierige Rechtslage begründen. Belehrungsfehler sind im Ermittlungsverfahren wegen Verkehrsunfallflucht nicht selten, insbesondere wenn der Halter des Fahrzeugs anfangs als Zeuge befragt wird. Auch hier kommt es aber auf den Einzelfall an.
Unfähigkeit zur Selbstverteidigung
Bei der Unfähigkeit zur Selbstverteidigung geht es weniger um den Fall, sondern eher um die Person des Beschuldigten. Kann er sich selbst verteidigen oder ist er dazu nicht in der Lage? Leider geht es hier aber nicht um die Frage, wie gut Sie sich mit der Strafprozessordnung auskennen oder wie fähig Sie sind, dem Staatsanwalt in einer Hauptverhandlung Paroli zu bieten. Stattdessen kommt es darauf an, ob Sie nachweislich durch besondere Beeinträchtigungen gehindert sind, sich effektiv selbst zu verteidigen. Jemand, der an einer schweren Erkrankung leidet, kann sich möglicherweise nicht selbst verteidigen. Auch hier kommt es — wenig überraschend — auf den Einzelfall an.
Fazit: Pflichtverteidigung bei § 142 StGB die Ausnahme
Alles in allem kommt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in einem Strafverfahren wegen Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beiordnung eines notwendigen Verteidigers (Pflichtverteidigers) liegen meist nicht vor. Aus Sicht der Justiz ist die Verkehrsunfallflucht eher ein geringfügiger Vorwurf (auch wenn die Folgen für den Betroffenen in der Regel recht gravierend sind). Wenn Ihr Fall also kein Ausnahmefall ist, dann müssen Ihren Anwalt selbst zahlen (hier mehr zu den Kosten eines Anwalts bei einer Unfallflucht). Es sei denn, Ihre Rechtsschutzversicherung tritt ein oder Sie werden freigesprochen – dann muss die Landeskasse die Gebühren des Anwalts zahlen.
Was können Sie nun tun?
Ihr Fall könnte ein Fall der Pflichtverteidigung sein? Ich würde Ihnen trotzdem eher davon abraten, selbst einen Beiordnungsantrag zu stellen. Es ist nämlich sinnvoller, wenn der Antrag vom Anwalt gestellt und auch begründet wird.
Wenn Sie die Vermutung haben, dass Ihr Fall ein Fall der Pflichtverteidigung sein könnte oder wenn Sie sich nicht sicher sind, dann schreiben Sie mir eine Nachricht. Gerne kann ich Ihnen eine Einschätzung geben. Und natürlich vertrete ich Sie in einem Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht auch als Pflichtverteidiger, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.